Heinrich August Winkler und die Abschaffung des individuellen Asylrechts

Heinrich August Winkler und die Abschaffung des individuellen Asylrechts

Zuletzt aktualisiert 10. Februar 2025

Der mittlerweile 86-jährige emeritierte Berliner Historiker Heinrich August Winkler – seit mehr als 60 Jahren SPD-Mitglied – spricht sich in einem hinter der Bezahlschranke des „Spiegel“ veröffentlichten Artikel für die Abschaffung des individuellen Asylrechts aus. Er will damit „der AfD Wind aus den Segeln nehmen“. Winkler bemerkt, „dass illegal eingereiste Ausländer sich nur auf das Asylrecht berufen müssten, um sich einen vorläufigen, nicht selten zeitlich unbefristeten Bleibestatus in der Bundesrepublik zu verschaffen, obwohl sie kein politisches Asyl beanspruchen können“. Der Kernsatz seiner Veröffentlichung lautet: „Wer die faktische Umwandlung des deutschen Asylrechts in ein Einwanderungsrecht effektiv beenden will, muss das subjektive durch das institutionelle Asylrecht ersetzen.“

Ein institutionelles Asylrecht wäre an politische Rahmenbedingungen geknüpft. Der Bundestag hätte beispielsweise die Aufnahme von Asylsuchenden aus der Ukraine beschließen können, bei gleichzeitiger Zurückweisung von Asylsuchenden aus der Türkei und dem Nahen Osten.

Heinrich August Winkler war jahrzehntelang einer der großen Erklärer des alten westdeutschen politischen und historischen Weltbildes, das 1990 zum gesamtdeutschen Blick auf die Welt und ihre Geschichte erhoben wurde. In dieser Eigenschaft hat er mehr als eine Chance versäumt, auf die destabilisierenden Folgen der deutschen Migrationspolitik hinzuweisen.

Nun ist späte Einsicht zweifellos besser als Altersstarrsinn, aber das wirklich Bemerkenswerte an Winklers Äußerungen ist etwas ganz anderes:

Bislang galt es als Konsens der politischen Klasse, anzunehmen, Deutschland habe eine im Völkerrecht begründete „historische und humanitäre Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen“ – so steht es sogar wortwörtlich auf der Internetseite des Bundesministeriums des Inneren. Wer diese angebliche „Verpflichtung“ nicht anerkennt, gilt (mindestens) als „Verdachtsfall“ für den „Verfassungsschutz“.

Das stimmt also gar nicht? Winkler schreibt: „Ein Recht auf Asyl in einem bestimmten Land ist den Vätern und Müttern des Grundgesetzes niemals in den Sinn gekommen. Es wäre in der Praxis auf ein allgemeines Recht auf Einwanderung hinausgelaufen.“ Und das christliche Portal „Evangelisch“ ordnet ein:

„In seinem Beitrag führt Winkler aus, dass dem Ausschuss für Grundsatzfragen des Parlamentarischen Rates im September 1948 ein Entwurf vorgelegen habe, in dem es geheißen habe: ‚Politisch Verfolgte genießen Asylrecht im Rahmen des allgemeinen Völkerrechts.‘ Den Schöpfern des Grundgesetzes sei es also um ein institutionelles, vom Staat zu gewährendes Asylrecht gegangen, nicht um einen Rechtsanspruch des Einzelnen. Im Verlauf der Sitzung seien auf Antrag des Völkerrechtlers Carlo Schmid (SPD) die Worte ‚im Rahmen des allgemeinen Völkerrechts‘ gestrichen worden, weil diese Formulierung Ausländer gegenüber Deutschen privilegiert hätte.“

Danach liegt es nahe, entweder den „Verfassungsschutz“ aufzulösen. Oder Winkler, den „Spiegel“ und die Evangelischen für rechtsextrem und verfassungsfeindlich zu erklären.

Foto oben: blu-news.orgHeinrich August Winkler | CC BY-SA 2.0

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