Asoziale Verhältnisse: Die Zeit der Antihelden

Asoziale Verhältnisse: Die Zeit der Antihelden

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Zuletzt aktualisiert 2. Dezember 2019

Jede Zeit hat ihre Symbole. Als im Jahr 1912 die „Titanic“ versank, blieb der Kapitän bis zum Schluss auf der Brücke und starb in den Fluten. Als 100 Jahre später die „Costa Concordia“ einen Felsen rammt und 32 Menschen in den Tot reißt, springt der Kapitän des Schiffs als einer der ersten ins Rettungsboot. Der Neurologe und Psychiater Dr. Burkhard Voß sortiert ihn zusammen mit Repräsentanten der politische Klasse unserer Zeit (wie Che Guevera und Karl-Theodor zu Guttenberg), in die Kategorie eines „Antihelden“, und deren öffentliche Omnipräsenz ist nach seiner Einschätzung kein Zufall. Sie prägen vielmehr das 21. Jahrhundert – bislang.

Voß nennt unsere Gesellschaft „postherorisch“. Mitverantwortlich für den Postheroismus ist nach seiner Einschätzung eine „Kuscheljustiz“, die Individuen deckt, die „rücksichtslos und unbeherrscht kriminell und nur auf ihren Vorteil bedacht sind. Antisozial, empathielos und ohne jegliches Schuldbewusstsein. Sie haben Energie und manchmal auch den Mut eines Helden, Ideale und höhere Ziele sind ihnen jedoch völlig fremd.“

Die haftverschonende Attitüde unserer Gerichtsbarkeit transportiert eine moderne, liberale Botschaft an den offen kriminellen Teil der Sozialschädlinge: „Ich kann ruhig so weitermachen, denn im Grunde passiert mir nichts. Die Karriere vom Straftäter zum Intensivtäter mit fließendem Übergang zum Antihelden ist gebahnt. Zehn und mehr Straftaten pro Jahr inklusive schwerer Körperverletzung sind bei solchen Kriminellen nichts Besonderes.“

Besonders verheerend wirkt die Kuscheljustiz auf „jugendliche Intensivtäter mit Migrationshintergrund, überwiegend aus orthodox-muslimischen Ländern, für die sozialpädagogische Maßnahmen allenfalls leicht störende Aktivitäten sind, verordnet von einem dekadenten westlichen Staat, den man sowieso nicht ernst nimmt.“

Das ideologische Hintergrundrauschen des postheorischen Zeitalters liefert ein überkommenes, mittlerweile durch die vergleichende Verhaltensforschung widerlegtes Menschenbild: Der Behaviorismus. Demnach steckt in jedem Menschen etwas Gutes, man muss es nur rauslassen. „Angeborenes gibt´s nicht. Scheinbar wissenschaftlich untermauert wurde dies durch die behavioristische Theorie von Burrhus Frederic Skinner, der ernsthaft die These vertrat, dass er nur durch Umwelteinflüsse aus einem Neugeborenen alles machen könne, ob Dummkopf, Verbrecher, Polizeidirektor oder Professor.“

In populärer, ideologisch unverdächtiger Form hat die Zwillingsforschung den Behaviorismus widerlegt: „Trotz völlig unterschiedlicher Milieus, in denen sie dann aufwuchsen, wiesen sie so viele gemeinsame Persönlichkeitsmerkmale, Hobbys, Vorlieben für bekannte Filme, Bücher oder gar Lieblingsspeisen auf, dass dies weder mit dem Zufall und schon gar nicht mit dem Milieu erklärt werden konnte.“

Hier sieht Voß eine Chance zur Wende: Durch Aufklärung hin zur Vernunft.

Bis es soweit ist, so befürchtet Voß, werden wir aber noch jahrelang asoziale politische und gesellschaftliche Verhältnisse ertragen müssen, denn: „Überzeugungen stören sich nur wenig an der Realität und haben eine besonders lange Halbwertszeit.“

 

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