Den Bogen überspannt: Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener

Den Bogen überspannt: Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener

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Zuletzt aktualisiert 4. Dezember 2019

Jeder, der am politischen Wettbewerb teilnimmt, steht in einem permanenten Streit um öffentliche Aufmerksamkeit mit allen anderen Teilnehmern des politischen Diskurses. Das gilt für Parteipolitiker ebenso wie für Publizisten und parteiunabhängige Aktivisten. In diesem Wettbewerb bestehen rote Linien, die niemand ungestraft überschreitet. Eine solche Grenzüberschreitung hat jetzt die Aktionsgruppe „Zentrum für politische Schönheit“ (ZPS) vollzogen, die unweit des Reichstages einen Behälter aufstellte, der angeblich sterbliche Überreste von Opfern des Holocaust enthalten soll.

Es sollte dabei um Warnungen vor möglichen Bündnissen aus CDU und AfD gehen, hieß es zunächst. Jetzt aber geht es um etwas anderes: Um die Würde von Menschen, die sich nicht mehr wehren können, weil sie tot sind.

Die Menschenwürde erlischt nicht mit dem Ableben. § 189 des Strafgesetzbuches sieht vor: „Wer das Andenken eines Verstorbenen verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Teilnehmer des politischen Wettbewerbs, die öffentlich – und sei es auch nur vermeintlich – Überreste menschlicher Körper zur Schau stellen, um für sich und ihr Anliegen Aufmerksamkeit zu erzielen, verwirklichen zweifellos des Tatbestand dieser rechtlichen Norm, soweit der Personenkreis der Betroffenen, um deren Überreste es geht, einigermaßen präzise bestimmt werden kann. Das ist hier zweifellos der Fall: Der Inhalt des Behälters enthält den Angaben der Aktivisten zufolge Erde mit Spuren der Asche von Opfern des NS-Regimes aus der Nähe nationalsozialistischer Vernichtungslager.

Zurecht verweisen jüdische Organisationen in Deutschland darauf, dass die Aktion die Totenruhe stört. „Auschwitz-Überlebende sind bestürzt darüber, dass mit diesem Mahnmal ihre Empfindungen und die ewige Totenruhe ihrer ermordeten Angehörigen verletzt werden“, sagt Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees.

Was kommt als nächstes? Wie wäre es damit, Unfallopfern Arme und Beine abzutrennen (vielleicht ja mit Zustimmung der Angehörigen?), sie zu konservieren und in einen transparenten Plastikblock zu versenken, der sich öffentlichkeitswirksam auf dem Potsdamer Platz in Berlin inszenieren ließe, daneben ein grinsender Philipp Ruch, Sprecher des ZPS, der für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen wirbt?

Für wie gegen ein solches Tempolimit gibt es gute und schlechte Argumente. Gleiches gilt für mögliche politische Koalition oder andere Bündnisse im Deutschen Bundestag wie in den Landesparlamenten. Wer zu diesen Debatten etwas beizutragen hat, der möge sich bitte gerne öffentlich äußern – wenn nötig auch scharfzüngig und offensiv.

Aber ein jeder Lebende möge doch gefälligst die Toten außen vor lassen und ihre Ruhe akzeptieren! Ihnen Respekt zollen und sie nicht einspannen, um sich für einen Tag oder zwei ins Rampenlicht der Medien zu rücken!

Was Philipp Ruch und andere Akteure des ZPS tun, ist schlicht schäbig gegenüber jedem Menschen, der in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager sein Leben verloren hat. Mir an der Stelle von Herrn Ruch wäre es peinlich, sich so etwas von uns sagen lassen zu müssen …

 

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