Zuletzt aktualisiert 7. April 2021
Pünktlich zum 700. Todestag des weltberühmten italienischen Dichters Dante Alighieri ist dessen „Göttliche Komödie“ endlich auch ins Niederländische übersetzt worden. Das könnte holländische und flämische Literaturfreunde freuen – wenn die Übersetzung vollständig erfolgt wäre. Um Ärger mit Muslimen zu vermeiden, hat allerdings der in dieser Sache tätige Verlag Blossom Books die den Propheten Mohammed und dessen Schwiegersohn Ali betreffenden Passagen im „Inferno“ schlicht weggelassen. Dante verortet bekanntlich den Aufenthaltsort des Islambegründers in der Hölle, wo ihm seine irdischen Sünden heimgezahlt werden:
Ein Faß, von welchem Reif und Dauben weichen,
Ist nicht durchlöchert, wie hier einer ging,
Zerfetzt vom Kinn bis zu Gefäß und Weichen,
Dem aus dem Bauch in manchem ekeln Ring
Gedärm und Eingeweid’, wo sich die Speise
In Kot verwandelt, samt dem Magen hing.
Ich schaut’ ihn an und er mich gleicherweise,
Dann riß er mit der Hand die Brust sich auf
Und sprach zu mir: „Sieh, wie ich mich zerreiße!“
Sieh hier das Ziel von Mahoms Lebenslauf!
Vor mir geht Ali, das Gesicht gespalten
Vom Kinn bis zu dem Scheitelhaar hinauf.
Sieh alle, die, da sie auf Erden wallten,
Dort Ärgernis und Trennung ausgesät,
Zerfetzt hier unten ihren Lohn erhalten.
Ein wilder Teufel, der dort hinten steht,
Er ist’s, der jeglichen zerfetzt und schändet,
Mit scharfem Schwert, der dort vorübergeht.
Kein schönes Bild, gewiss. Die Geschichte von Hensel und Gretel ist übrigens ähnlich grausam und wäre gewiss nicht jugendfrei, falls wir die Maßstäbe des aktuellen Zeitgeistes an ihr anlegen wollten. Aber wer tut so etwas schon bei Werken der Weltliteratur?
Der Historiker Christophe de Voogd, der in Paris und Brüssel an der Eliteuniversität Sciences Po Vorlesungen hält, empört sich hinter der Bezahlschranke der „Welt“ über diesen Fall von Zensur:
„Es handelt sich (…) um eine wahrhaftige selektive Neufassung der Vergangenheit, und das in einer orwellschen Tonart. Damit reiht sich diese in eine ganze Reihe von aktuellen Fällen ein, bei denen es um Filme, Bücher und Lehrpläne von Schulen und Universitäten geht: Sie sind das Einsatzgebiet der ‚Cancel Culture‘, die all das verbietet, was möglicherweise eine gewisse ‚Sensibilität beleidigen‘ könnte, wie in diesem Fall die Muslime, die doch in diesem Fall noch nicht einmal darum gebeten haben.“
De Voogd wird erstaunlich offen politisch, wenn er sodann fragt:
„Dürfen die Drohungen, unter denen all diejenigen leiden – nah oder fern –, die den Islam hinterfragen oder gar den Islamismus anprangern, so weit führen? Denn genau darum geht es doch jetzt, nach der Tragödie von Samuel Paty: Kommt es nun zu einer geschlossenen Reaktion der Anhänger der Meinungsfreiheit oder im Gegenteil zum Triumph des neuen politisch Korrekten, aus einer Kombination von Angst und Feigheit heraus?“
Samuel Paty war Lehrer in einem Vorort von Paris und wurde von einem Muslim enthauptet, nachdem er seine Schüler im Unterricht mit den Mohamed-Karikaturen konfrontiert hatte. Der Verlag Blossom Books will offenbar vermeiden, zum Zielobjekt ähnlicher Angriffe zu werden.
Abbildung oben: William Blake setzte 1827 Dantes Höllen-Vision optisch um: Ein Teufel schlitzt mit scharfem Schwert Mohammed bis ans Ende der Zeit den Bauch auf, weil er Zwietracht unter den Menschen gesät hat.