Zuletzt aktualisiert 9. April 2021
Da staunte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, als sie Recep Erdogan in Ankara besuchte: Der Platz neben dem Sultan gebührte nicht ihr, sondern dem EU-Ratspräsidenten Charles Michel. Von der Leyen wurde einige Meter entfernt auf einem Sofa platziert, das breit genug war, um noch zwei oder drei ihrer Berater Raum zu bieten. Der Vorfall geistert als „Sofa-Gate“ durch die sozialen Netzwerke.
Dabei war formal gesehen alles in Ordnung. Das Verhältnis des EU-Ratspräsidenten zur Kommissionspräsidentin ähnelt demjenigen des deutschen Bundespräsidenten zur Bundeskanzlerin: Die Kanzlerin wie auch die Kommissionspräsidentin haben faktisch politisch die Hosen an, aber der Ratspräsident bzw. der Bundespräsident bekleiden nominell das ranghöhere Amt. Folgerichtig stellt sich die türkische Seite dumm und behauptet, der diplomatischen Höflichkeit im vollen Umfang genügt zu haben.
Faktisch dagegen handelt es sich schlicht um eine politische Demütigung, mit der Frau von der Leyen und ihre Berater durchaus hätten rechnen können. Denn thematisch ging es bei dem Treffen um den Stand der Beziehungen der EU zur Türkei. Der Beitritt des Landes am Bosporus zur Europäischen Union steht nominell immer noch im Raum, ist aber faktisch vom Tisch. Die türkische Seite sieht sich von den EU-Institutionen herablassend behandelt, tendiert ohnehin ständig dazu, sich beleidigt zu fühlen, und sie pflegt zudem im Umgang mit den Deutschen seit Jahrzehnten einen sachlich durchaus nicht ganz unbegründeten Minderwertigkeitskomplex. Also sinnt sie mehr oder weniger permanent auf Rache. Und solange dieses Bedürfnis seinen Ausdruck nur in der Sitzordnung findet, ist ja eigentlich alles im Lot: Wer sich neckt, schießt nicht aufeinander.
Mein (kostenloser) Ratschlag an Frau von der Leyen lautet: Bitte das nächste Mal einfach kreativ zurücksticheln. Oder zuhause bleiben.