Zuletzt aktualisiert 18. Juni 2021
Bahlsen benennt endlich seine Afrika-Waffeln um. Die wurden nicht, wie man annehmen könnte, in den 30er und 40er Jahren am Markt eingeführt, als in Deutschland der Rassismus grassierte. Sondern in den 50ern, als bei dem Begriff Afrika im Zusammenhang mit Schokoladenwaffeln offenbar noch niemand auf die Idee kam, dass das Ganze irgendetwas mit Rassismus zu tun haben könnte. Heilige Einfalt! Jetzt aber weiß die Werbeabteilung des Unternehmens es besser und trägt dem Zeitgeist in angemessener Form Rechnung.
Die Waffeln heißen jetzt „Perpetum“. Das soll irgendetwas mit Nachhaltigkeit zu tun haben, meldet die „Bild“-Zeitung. Den Deutungszusammenhang versteht wahrscheinlich nur, wer in der Schule Latein hatte. Aber die Bezeichnung ist immerhin eindeutig nicht rassistisch.
Gerade Bahlsen muss vorsichtig sein. Das Familienunternehmen hat nämlich während des Zweiten Weltkrieges Verpflegung für die Wehrmacht produziert und damit die Befreiung Deutschlands vom Joch des Faschismus durch Stalins Rote Armee und die US-Streitkräfte sinnlos hinausgezögert. Zudem hat Bahlsen zu eben diesem Zweck der Produktion von Nahrungsmitteln sage und schreibe 200 Zwangsarbeiter beschäftigt, denen gegenüber die Betriebsführung die Schrecken ihres Unrechtsregimes dadurch verschleierte, dass es sie alle recht gut genährt und lebend durch den Krieg brachte.
Als dann auch noch 2019 die damals 26-jährige Verena Bahlsen, die ein Viertel des Unternehmens geerbt hat, in einem Pressegespräch jegliche Kollektivschuldsensibilität vermissen ließ, brannten bei den Gut- und Bessermenschen alle Sicherungen durch. Sie hatte seinerzeit gegenüber „Bild“ über Bahlsen im Zweiten Weltkrieg und die Zwangsarbeiter geäußert:
„Das war vor meiner Zeit und wir haben die Zwangsarbeiter genauso bezahlt wie die Deutschen und sie gut behandelt.“
Vielleicht dürfen jetzt deshalb Schokowaffeln nicht mehr mit Afrika in Verbindung gebracht werden?
Mir persönlich schmecken ja nicht Waffeln, aber Kekse besonders gut, die mit weißer Schokolade überzogen worden sind. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob deren Genuss weniger rassistisch ist als der Verzehr von dunklen Schokoladenkeksen bzw. Waffeln – oder vielleicht sogar noch schlimmer?
Wie so oft gilt auch hier, frei nach Loriot: Es bleibt schwierig.
Fotos: Oben: Rassistische Waffeln. Unten: Gutmenschenwaffeln. Hat diese Produktumbenennung unsere Welt zu einem besseren Ort gemacht?