Zuletzt aktualisiert 14. März 2022
Deutschlands politische Klasse sieht sich in weiten Teilen unverstanden. Die Übelkrähen jenseits ihrer wohltemperierten Amtsstuben bereitet den Verantwortungsträgern Sorgen. Allein in München verfolgt die Strafjustiz derzeit 1152 Fälle, in denen Bürger ihre hochwohlgeborenen Volksvertreter übel beleidigt und bedroht haben sollen.
Ein Spitzenreiter unter denen, die sich dem Plebs entgegenstellen, ist Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er lässt fleißig Strafanzeigen schreiben gegen Bürger, die ausfällig geworden sind.
Ihm helfend zur Seite steht Georg Eisenreich von der CSU, seines Zeichens Justizminister des Landes Bayern. Er hat, umsichtig wie er ist, lange schon bemerkt, dass sich „Hatespeech (…) zu einer echten Gefahr für die Demokratie entwickelt“. Die Münchener „tz“ zitiert ihn zudem mit der Bemerkung, der politische Kampf gegen solche Auswüchse müsse „entschlossen geführt werden“.
Rettung naht in Gestalt des bayerischen „Hatespeech-Beauftragten“ Klaus-Dieter Hartleb, der sich die Verteidigung von Ruhe und Ordnung zum Ziel gesetzt hat. Erfolgreich war er in der Auseinandersetzung mit einem Münchener, der Dieter Reiter per eMail auf’s Ungeheuerlichste beleidigt und verunglimpft hatte. Hartleb stellt empört fest:
„Insbesondere mit den Ausdrücken ‚Vollpfosten‘ oder ‚erbärmliche Politiker‘ wollte er den Geschädigten (Dieter Reiter) in seinen Persönlichkeitsrechten verletzen.“
Bei solchen Entgleisungen sind schnelles Handeln und ein hohes Maß an staatlicher Entschlossenheit gefragt. Der digitale Pöbler musste eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen. Sein Laptop wurde eingezogen. Zudem brummte ihm das Amtsgericht eine Geldstrafe in Höhe von 3.600 Euro auf. Vom dreitägigen Festbinden am Schandpfahl auf dem Marienplatz wurde vorerst noch aus humanitären Gründen abgesehen.
Dementgegen übt sich die politische Klasse unseres Landes in überaus gepflegter, eben demokratischer Kommunikation. Ein Redakteur der „Hannoverschen Allgemeinen“ hat sich der Mühe unterzogen, hierzu Einzelheiten festzuhalten. Politiker-Äußerungen über andere Menschen, denen kein Strafverfahren folgte, waren Beispielsweise:
„In die Fresse kriegen.“ – Andreas Nahles, SPD
„Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch.“ – Joschka Ficher, Grüne
„Zuhälter.“ – Michael Glos, CSU
„Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen.“ – Ronald Pofalla, CDU
„Berühmtester Eierkrauler dieses Landes.“ – Barbara Hendricks, SPD
„Griesgrämiger Kabinettsgrufti.“ – Andreas Scheuer, CSU
„Waschen Sie sich erst einmal! Sie sehen ungewaschen aus.“ – Herbert Wehner, SPD
„Übelkrähe.“ – Herbert Wehner, SPD
„Sie sind ein Schwein. Wissen Sie das?“ – Herbert Wehner, SPD
Da gab es keine Hausdurchsuchung. Keinem dieser Verbalextremisten wurde ein Arbeitsgerät weggenommen. Und Geldstrafen gab es auch keine. Aber wenn ein Bürger „Vollpfosten“ oder „erbrämlicher Politiker“ sagt, dann geht es rund!
Foto oben: CC-Lizenz, JordiCuber – Plakatkampagne gegen Hass und gegen die Spaltung der Gesellschaft.