Zuletzt aktualisiert 21. Oktober 2023
Zuerst war es ein Gerücht, dann wurde der Plan „angedacht“, jetzt ist er Wirklichkeit: Sahra Wagenknecht verlässt die Linke und gründet eine eigene Partei. Mindestens hundert linke Noch-Mitglieder wollen in der Kernmannschaft des Wagenknecht-Projektes mitmachen, heißt es in diesen Tagen in Berlin. Darunter sind offenbar auch Abgeordnete und erfahrene Mitarbeiter der linken Bundestagsfraktion.
Die wird es dann im Laufe der kommenden Woche nicht mehr geben. Die Linke schrumpft von der Fraktion zur Gruppe im deutschen Bundestag, verliert Geld und Mitwirkungs-Möglichkeiten. Dementsprechend gereizt reagiert ihr Noch-Fraktionsvorsitzender Dietmar Bartsch mit der uncharmanten Äußerung über Wagenknechts „unverantwortlichen“ Weggang: „Es ist wie mit der Oma, die Krebs hat. Man weiß, sie stirbt, aber wenn es soweit ist, ist es doch traurig.“
Das Meinungsforschungsinstitut Yougov hat zwischen dem 15. und dem 20. September 2023 unter 2134 repräsentativ ausgewählten Personen eine Umfrage zu den Wahlchancen einer Wagenknecht-Partei durchgeführt. Die kann demnach mit Wahlergebnissen zwischen 10 und 20 Prozent der Stimmen rechnen – im Osten mehr und im Westen weniger. 55 Prozent der Wähler der Linken und 26 Prozent der AfD-Wähler können sich demnach vorstellen, ihr Wahlkreuz bei Sahra Wagenknecht zu machen, die zudem einige frustrierte Nichtwähler an die Wahlurne zurückholen könnte.
Das politische Profil der Wagenknecht-Partei ist in dieser Kombination bislang in Deutschland noch nie parlamentarisch verankert gewesen:
Sozialistisch: Der Kampf gegen den Globalisierungskapitalismus war Wagenknecht schon immer ein Herzensanliegen. Die neue Partei wird versuchen, sich ein deutliches soziales Profil zu geben und als Interessenvertreter der materiell Deklassierten aufzutreten.
Zuwanderungskritisch: Die neue Partei wird sowohl den Asylmissbrauch ablehnen als auch den Import ausländischer Arbeitskräfte zu dem Zweck, die Löhne in Deutschland zu drücken.
Weder woke noch ökofaschistisch: Die Neigung der Linken zu woken und ökofaschistischen Positionen wird die neue Partei nicht mitmachen.
DDR-Nostalgie: Gegenüber der DDR dürfte die Wagenknecht-Partei mit einer apologetischen Grundhaltung auftreten – vor allem im Osten.
Die meisten Überschneidungen wird diese neue Partei mit der AfD haben. Und deshalb lautet die Gretchenfrage an Sahra: Wie wäre es mit einer wagenknechtrot-blauen Koalition beispielsweise in Sachsen oder in Thüringen? Zunächst wird sie solche Phantasien empört zurückweisen. Was dann später daraus werden wird, müssen wir abwarten.
Jedenfalls aber in einer Hinsicht macht sich Sahra Wagenknecht in diesen Tagen um Deutschland verdient: Sie verkürzt die Leiden der krebskranken Partei des Dietmar Bartsch, die voraussichtlich im nächsten Deutschen Bundestag nicht mehr vertreten sein wird.