Zuletzt aktualisiert 18. Juni 2024
Der bayerische Landes-Justizminister Georg Eisenreich (CSU) hat ein politisches Eigentor geschossen. Er plant eine Gesetzesänderung, mit der er die Justiz gegen „Extremisten und Aktivisten“ in Stellung bringen will. Dabei plaudert er seine politischen Absichten, in deren Dienst er den Justizbetrieb offenbar gestellt sehen will, so freimütig heraus, dass seine Fassade eines grundgesetztreuen Biedermanns bedenklich wackelt.
In Deutschland hatte in den letzten Jahren nur etwa eine von hundert Straftaten einen politischen Hintergrund. In der aktuellen polizeilichen Kriminalstatistik und im Alltag des Justizbetriebs spielen sie eine untergeordnete Rolle. Im Regelfall handelt es sich um Meinungsäußerungsdelikte. Wer beispielsweise in den sozialen Netzwerken zu übermütig schimpft, kann im besten Deutschland aller Zeiten Besuch von der Polizei bekommen und vor Gericht landen.
Allerdings: Politische Verfahren haben das Potential, Richter und Staatsanwälte zeitlich und nervlich stark zu beanspruchen. Die meisten konventionellen Angeklagten in Strafverfahren verhalten sich defensiv und legen es darauf an, nach einem Fehltritt möglichst glimpflich davonzukommen. Nicht so etliche Angeklagte in politischen Strafverfahren. Manche politische Karriere ist ja, wie uns die Geschichte lehrt, überhaupt erst durch einen großen Auftritt vor Gericht ordentlich in Fahrt gekommen.
Wäre es da nicht einfacher, kurzen Prozess machen zu können? Und beispielsweise die lästigen Verfahrensrechte der Angeklagten einzuschränken?
Minister Eisenreich sieht Risiken durch die relativ kostengünstige Option einer Laienverteidigung in Strafverfahren. Laienverteidiger sind zudem für Repressalien im Falle eines „Fehlverhaltens“ nicht so leicht erreichbar wie Rechtsanwälte. Der CSU-Mann behauptet:
„Die Möglichkeit der Zulassung als Laienverteidiger nach § 138 Abs. 2 StPO birgt die Gefahr, dass aus Unkenntnis auch Personen als Verteidiger zugelassen werden, die Anhänger einer extremistischen oder staatsfeindlichen Weltanschauung sind, oder die ihre Stellung im Verfahren nicht zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten, sondern als Plattform für öffentlichkeitswirksame Propaganda im Gerichtssaal nutzen wollen.“
Bayern will deshalb durch eine Gesetzesänderung sicherstellen, dass nur noch die Angehörigen bestimmter, ausgewählter, „geeigneter“ Personen- und Berufsgruppen als Laienverteidiger tätig sein dürfen. Das berichtet die „Legal Tribune Online“.
Die Bundesrechtsanwaltskammer lehnt den bayerischen Vorstoß ab:
„Wie zunehmend üblich, soll einer gesellschaftlich unerwünschten Entwicklung begegnet werden, indem im Straf- und Strafprozessrecht Beschuldigtenrechte eingeschränkt werden.“
Die Initiative aus der CSU entlarvt allerdings, wie manche Unionspolitiker ticken. Sie wittern an jeder Ecke Staatsfeinde und Extremisten, deren Rechte spätestens dann eingeschränkt werden sollen, wenn sie den Mund aufmachen oder in einem Strafverfahren von ihren im Grundgesetz verankerten Rechten Gebrauch machen. Und wer bei einer solchen Haltung Parallelen zur späten Entwicklungsphase der DDR sieht, muss möglicherweise mit dem Vorwurf einer (strafbaren) Beleidigung rechnen …