Zuletzt aktualisiert 17. August 2024
Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum hat in einem Artikel in der juristischen Fachzeitschrift „Legal Tribune Online“ ein Verbot der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative gefordert:
„Die Bedeutung des Vereinigungsverbots als Ausdruck der Wehrhaftigkeit unserer Demokratie ist bisher unterbelichtet – im Gegensatz zum Pateiverbot. Das BMI sollte auch nicht davor zurückschrecken, ein Verbot der AfD-Jugendorganisation ‚Junge Alternative für Deutschland‘ (JA) voranzutreiben, für die das Parteienprivileg aus Art. 21 Abs. 4 GG nicht gilt. Denn laut ihrer Bundessatzung begreift sich die JA als selbständiger Verein, der an Weisungen der Mutterpartei nicht gebunden ist.“
Er sieht gegenüber einem Parteiverbotsverfahren gegen die AfD insbesondere den Vorteil, dass die politischen Institutionen im Fall eines Vereinsverbots Fakten schaffen können, ohne eine jahrelange Auseinandersetzung vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof abwarten zu müssen:
„Gegenüber dem Parteiverbot hat das Vereinigungsverbot aus Sicht einer effektiven Gefahrenabwehr zudem den Vorteil, dass seine Wirkung nicht erst durch gerichtliche Entscheidung, sondern – bei Anordnung der sofortigen Vollziehung – unmittelbar mit der Verbotsverfügung eintritt.“
Baums Überlegungen erhellen den Sinn des „Compact“-Verbots, das eine Art juristischer Testlauf für das weitere Vorgehen der politischen Klasse gegen die AfD zu sein scheint. Falls dieses als Vereinsverbot realisierte Verbot einer Zeitschrift nicht schon im Schnellverfahren der Einstweiligen Verfügung scheitert, was bei der in diesem Verfahren üblichen, nur summarischen Sachverhaltsprüfung eher unwahrscheinlich ist, bleibt für „Compact“ ein Schaden, der sich auch im Falle eines späteren Obsiegens im Verfahren zur Hauptsache nicht mehr abwenden oder ausgleichen lässt.
Ähnlich erginge es der AfD im Fall des Verbots ihrer Jugendorganisation.
Ein AfD-Parteiverbotsverfahren dagegen ist ebenso unrealistisch wie chancenlos. Die AfD strebt die Abwahl der Altparteien an, aber keinen Sturz des politischen Systems. Etwas anderes werden die Gegner der Partei zwar kurzzeitig vorgaukeln, aber nicht in einem jahrelangen Parteiverbotsverfahren gerichtsfest nachweisen können.
Was ihnen bleibt, ist eine realistische Chance, die AfD aus der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien auszuschließen. Dafür genügt die Einstufung einer politischen Partei durch das Bundesverfassungsgericht als fremdenfeindlich, wie das Beispiel des Vlaams Blok aus dem Jahr 2004 zeigt, den der belgische Oberste Gerichtshof mit analoger Begründung von staatlichen Geldzuwendungen im Königreich Belgien ausschloss. Die seit Jahrzehnten auf dem überschaubaren Terrain Flanderns gut organisierten und weltanschaulich gefestigten Flamen gründeten mit dem Vlaams Belang eine neue Partei, lösten den Vlaams Blok auf, entschärften ihre Rhetorik in Sachen Zuwanderung und hebelten dadurch den juristischen Schlag der pro-belgischen Parteien erfolgreich aus.
Dieser Weg dürfte im deutlichen größeren Bundesgebiet für die AfD, deren Historie und ideelle Geschlossenheit mit derjenigen der flämischen Nationalbewegung nicht zu vergleichen ist, kaum begehbar sein. Alle AfD-Parteimitglieder sind deshalb gut beraten, bei jeder Äußerung zur Zuwanderungspolitik ihre Worte sehr sorgfältig zu wählen – um böswillige Missverständnisse auszuschließen und Schaden von der Partei abzuwenden.