Eskalation im Thüringer Landtag: Was will Björn Höcke?

Eskalation im Thüringer Landtag: Was will Björn Höcke?

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Zuletzt aktualisiert 30. September 2024

Am 26. September 2024 hat Manfred Rouhs unmittelbar nach der völlig aus dem Ruder gelaufenen konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags mit Björn Höcke gesprochen.

Manfred Rouhs: Sie sind bundesweit heute wieder in den Medien massiv präsent. Natürlich nicht mit Lob, sondern mit einer skandalisierenden Berichterstattung über den Umstand, dass die AfD in Thüringen mit Björn Höcker an der Spitze den Landtag lahmlegt. Was ist heute wirklich passiert in Thüringen?

Björn Höcke: Das Gegenteil ist richtig. Der historische Tabubruch, der heute hier eingeleitet worden ist, ist der Tabubruch der Kartellparteien.

Wir haben in Deutschland eine über 150 Jahre alte Parlaments- und Demokratiekultur, die schon in der Paulskirche aufgesetzt worden ist und in der Paulskirchen-Verfassung auch schon niedergeschrieben worden ist. Seit diesen Zeiten haben wir das Verfassungsgewohnheitsrecht, das nach einer Wahl die stärkste Kraft den Parlamentspräsidenten stellt. Dieses Verfassungsgewohnheitsrecht ist in der Bundesrepublik Deutschland niemals infrage gestellt worden. Und auch im Freistaat Thüringen nach der Wiedervereinigung und der Neugründung des Freistaates niemals anders angewandt worden. Jetzt, wo die AfD zum ersten Mal stärkste Kraft ist, soll dieses uralte Verfassungsgewohnheitsrecht beendet werden. Es soll zerstört werden.

Und man hat heute versucht mit Geschäftsordnungsanträgen, die nicht zulässig sind, wenn man sich mit der Thüringer Verfassung und dem Geschäftsordnungsgesetz und der Thüringer Geschäftsordnung beschäftigt, den Verlauf der Konstitution des Landtages in die Richtung zu bringen, die man will, die aber nicht vom Wort laut und vom Geist des geltenden Gesetzes gedeckt ist.

Manfred Rouhs: Es kam heute auf einen Menschen hier im Landtag mehr an, als auf alle anderen, das war der Jürgen Treutler. Ich hatte den Eindruck, dass Treutler massiv unter Druck gesetzt worden ist von Vertretern einerseits des parlamentarischen Apparates und andererseits von Repräsentanten der Altparteien. Täusche ich mich mit diesem Eindruck oder war das so?

Björn Höcke: Das war in höchster Masse unanständig, was man mit Jürgen Treutler heute gemacht hat.

Er ist Alterspräsident mit einer klar umrissenen Aufgabe, die eigentlich relativ schnell zu exekutieren ist. Und die Art und Weise, wie man ihn verunsichern wollte, die Art und Weise, wie man einen Mann, der kein Geschäftsordnungsexperte ist per se und der auch kein ausgebildeter Jurist ist und alles das, muss man ja auch nicht sein, wenn man Alterspräsident ist, wie man ihm versucht hat, ja, letztlich die Beine wegzuziehen, damit er ins Straucheln gerät, ist in höchstem Maß, ich wiederhole mich da, unanständig gewesen. Ich habe das noch nie erlebt, dass Abgeordnete sich selbst das Wort erteilt haben. Also, dass sie nicht darauf gewartet haben, dass der Präsident ihnen das Wort erteilt nach einer Meldung, sondern sie haben einfach das Mikrofon angeschaltet und haben darauf losgequasselt und haben monologisiert, sind in die Rede des Alterspräsidenten eingedrungen und haben monologisiert.

Und ja, die schlechte Rolle, die die Landtagsverwaltung heute gespielt hat, ist auch offenkundig. Normalerweise hätte man denen den Ton abdrehen müssen.

Jürgen Treutler hat dann auch im späteren Verlauf der Sitzung darauf hingewiesen, dass die Landtagsverwaltung bitte dann auch den Ton abzudrehen hat. Dazu ist es dann nicht mehr gekommen, weil jetzt am Ende die Entscheidung gefallen ist, dass die Kartellparteien vor das Landesverfassungsgericht ziehen werden.

Manfred Rouhs: Die andere Frage ist natürlich, wer bekommt ein solches Schauspiel mit? Ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder, der heute die Sitzung verfolgt hat, so wie Sie und ich das gemacht haben, sich ein Bild machen konnte von der Impertinenz, mit der die Altparteien versuchen, ihre eigenen partikularen Interessen durchzusetzen gegen das, was hier bislang über Jahre hinweg Usus gewesen ist und was sicherlich zumindest eine vertretbare Rechtsauffassung ist. In juristischen Fragen sind ja immer mindestens zwei Auffassungen möglich, wenn nicht drei oder vier. Und wir werden am Freitag sehen, welche Auffassung der Verfassungsgerichtshof hat. Aber diese Impertinenz ist schon beachtlich.

Zwei Fragen dazu. Erstens mal, geht es bei der Präsidentschaft im Landtag wirklich nur um den Posten, ums Repräsentieren und darum, dass da natürlich auch Geld fließt? Das machen die ja alle nicht für Gotteslohn. Und jeder, der einen Job aufgeben muss, ist dann verärgert darüber. Ist das das Einzige oder hängt mehr an diesen Posten? Das ist die eine Frage.

Und die andere ganz große Frage ist natürlich diejenige, was kann man machen, um zu erreichen, dass von solchen Szenarien, wie wir sie heute erlebt haben im Thüringer Landtag, mehr Menschen in der breiten Öffentlichkeit etwas mitbekommen.

Björn Höcke: Ja, es wäre eigentlich die Aufgabe der Journalisten, davon zu berichten und zwar genauso zu berichten, wie es gewesen ist. Und diese unparlamentarische Atmosphäre, die heute hier geherrscht hat, in die Öffentlichkeit zu transportieren, das geschieht natürlich nicht, weil wir ein politisch-mediales Establishment gegen uns stehen haben, dass kartellartig miteinander verwachsen ist und das sich zur Aufgabe gemacht hat, die AfD kleinzuhalten als wirkliche politische Alternative. Ansonsten bleiben uns nur die eigenen sozialen Kanäle.

Die sind mittlerweile Gott sei Dank relativ stark, um das, was heute hier passiert ist, auch einzuordnen und unsere Sicht der Dinge auch in die Öffentlichkeit zu tragen. Deswegen bin ich vorsichtig optimistisch, dass ein reines Anti-AfD-Narrativ, das vielleicht durch die etablierten Medien gesetzt wird, keinen Bestand haben wird in der Bevölkerung. Die Bevölkerung ist mittlerweile auch so aufgeklärt, dass sie diese Taschenspielertricks, die heute wieder versucht worden sind, von den Kartellparteien durchschauen.

Man erkennt ganz deutlich, dass hier über Jahrzehnte gelebte Rechtskultur geopfert wird, nur um die Beteiligung der AfD zu verhindern. Das Landtagspräsidentenamt ist ein wichtiges Amt, weil wir auch in diesem Amt zeigen können, dass wir es können. Wir haben in fünf Jahren eine Landtagspräsidentin gehabt, die es nicht konnte, die auch keinen Willen hatte, das zu lernen, was man lernen muss, wenn man Geschäftsordnung interpretiert, wenn man Sitzungen leitet.

Sie war bis zum Schluss ein Totalausfall ohne jede Lernkurve. Wir wollten es besser machen und wir hätten es auch besser gemacht. Vielleicht haben wir noch die Chance, es besser zu machen.

Wir haben wirklich bei der Personalauswahl geguckt, wer hat parlamentarische Erfahrungen, wer hat auch die rechtliche Erfahrung am besten im Rechtsstudium absolviert und wer ist so patent, dieses Amt auch wirklich auszufüllen. Es wäre für uns die Möglichkeit gewesen, in einem hohen Staatsamt unter Beweis zu stellen, dass wir es können. Und ansonsten hat ein Landtagspräsident durchaus Rechte, die beachtlich sind.

Er ist protokollarisch das höchste Amt im Freistaat Thüringen, wenn ich mich jetzt nicht ganz täusche. Ich meine, es ist so. Er hat natürlich die Möglichkeit, die Hausordnung zu gestalten, also auch wieder parlamentarische Sitten durchzusetzen.

Das ist etwas, was mir sehr am Herzen liegt, dass wir als Parlamentarier uns auch durch einen äußeren Habitus, durch eine Form, die wir pflegen, würdig erweisen, Parlamentarier, Volksvertreter zu sein. Das ist in den letzten Jahrzehnten hier eingerissen. Grüne und linke Abgeordnete laufen mit Sandalen und T-Shirts durch die Gänge und kurzen Hosen und Brauchnabelpiercing freigelegt und so weiter und so weiter.

Das ist ein Verfall der parlamentarischen Kultur. Auch da kann der Landtagspräsident eingreifen. Er kann auch durchaus Kontakt ins Ausland pflegen und kann die AfD auch insofern vertreten.

Manfred Rouhs: Das ist ein spannendes Feld. Jan Böhmermann hat kürzlich wieder mal über die vermeintlich bösen Ossis vom Leder gezogen. Was ihm besonders unangenehm aufgefallen ist, das war die Tatsache, dass es im Gebiet der ehemaligen DDR eine Vielzahl von Anzeigenzeitungen gibt, die nicht immer ganz auf Linie sind und die nicht den Kurs des etablierten Medienbetriebs vertreten. Wie wichtig sind diese regionalen Anzeigenzeitungen für die politische Entwicklung im Osten, auch für die Wahlergebnisse der AfD? Und gibt es eine Möglichkeit für die AfD, aus eigener Initiative heraus und mit eigenen Mitteln dieses Anwachsen von alternativen medialen Ressourcen zu befeuern?

Björn Höcke: Wir haben tatsächlich in Thüringen einige Anzeigenzeitungen, die auch redaktionelle Beiträge liefern, die darauf abzielen, eine breite gesellschaftliche Diskussion anzustoßen.

Da werden auch Beiträge der Kartellparteienpolitiker transportiert und abgebildet, aber die AfD hat eine adäquate Möglichkeit, sich auch zu Wort zu melden. Dafür sind wir sehr, sehr dankbar. Wir können natürlich solche Anzeigenblätter auch unterstützen, finanziell als Strukturen, indem wir Anzeigen schalten.

Das passiert auch, das tun wir auch, weil wir von den etablierten Medien in Thüringen vollständig boykottiert werden. Also wir haben keine Möglichkeiten in Publikationen der sogenannten Thüringer Mediengruppe, die mehr oder weniger ein Monopol hat im Zeitungswesen, jenseits der von Ihnen schon erwähnten Anzeigenblätter. Da werden Anzeigen abgelehnt, gar nicht erst veröffentlicht.

Einladung zu Bürgerdialogen und so weiter, das wird den Kartellparteien zugestanden und wird es verwehrt. Unsere Fraktionszeitung wird auch nicht im Verteilsystem der Thüringer Mediengruppe in die Briefkästen gebracht, die anderen Parteien, die können das. Wir müssen das über den Postvertrieb machen, was natürlich erheblich kostenintensiver ist.

Aber wie gesagt, es gibt da durchaus Geschäftsbeziehungen zu den Anzeigenzeitungen und da kann man doch einiges machen, damit die Anzeigenzeitungen auf einem guten wirtschaftlichen Fundament stehen. Hat nicht die AfD auch eine Möglichkeit über die Rundfunkräte mitzuwirken am öffentlich-rechtlichen Medienbetrieb? Ja, haben wir natürlich in bescheidenem Maße, weil die Rundfunkräte natürlich trotzdem mehrheitlich sehr deutlich im Bereich des Bundeszeitgeistes unterwegs sind. Ich bin jetzt kein Medienrechtsexperte und Medienexperte, aber meines Wissens ist das sogar vor kurzem noch mal reformiert worden, dieser Ansatz der Rundfunkräte und es sind neue Gruppen aufgenommen worden, die aus dem Bereich der Queerszene etc. pp. kommen und daran erkennt man schon, dass der Drift in den Rundfunkräten weiter Richtung bunter Zeitgeist geht und einzelne AfD-Vertreter werden das natürlich nicht aufhalten können. Das steht wahrscheinlich zu befürchten.

Manfred Rouhs: Damit sind wir bei meiner letzten Frage. Gibt es Optionen für einen Regierungswechsel? Die CDU hat eine Brandmauer erklärt. Das BSW schaut bei den etablierten Parteien nach Bündnispartnern und hat ebenfalls erklärt, mit der AfD nicht koalieren zu wollen.

Erodiert das über kurz oder lang, insbesondere bei der CDU? Oder steht die wie ein Monolith? Wie ist das, wenn Sie mit Vertretern der CDU in dem Moment, in dem nicht gerade Medienleute um die Ecke biegen, eine Unterhaltung führen? Gibt es solche Unterhaltungen überhaupt?

Björn Höcke: Ja, es gibt durchaus auch konservative Politiker der CDU in Thüringen. Die meisten sind aber jetzt allerdings in den Ruhestand gegangen. Es gab da eine Gruppe um den ehemaligen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Michael Heim aus Südthüringen, der ganz offen auch den Kontakt gepflegt hat.

Wir haben einige Gespräche miteinander geführt und die Thüringer CDU-Basis ist weiterhin konservativ. Das Problem ist, dass die Funktionärsebene völlig vom Geist des Merkelismus durchdrungen ist. Und die sitzen hier im Thüringer Landtag.

Dadurch, dass wir so exzellente Ergebnisse auch in den Wahlkreisen erzielt haben am 1. September, ist es so, dass die konservativeren Kandidaten, die eben nicht auf die Vogtliste gekommen sind, weil da der Parteichef natürlich viel zu sagen hat, über das Direktmandat einziehen mussten. Viele von denen wurden nicht gewählt, weil der AfD-Abgeordnete gewählt ist. Dafür sind wir natürlich dankbar.

Aber das bedeutet, dass wir hier im Landtag wirklich eine Merkelistentruppe haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die den Kurs des Mario Vogt beziehungsweise auch der Bundeszentrum fahren werden. Da besteht wenig Hoffnung. Die Basis, wie gesagt, ist anders gestimmt.

Ich glaube, 68 % der CDU-Basismitglieder wünschen sich eine Kooperation mit der AfD hier im Osten. Man kann diesen Parteifreunden nur raten, um Druck auszuüben und die Funktionäre unter Druck zu setzen.

Manfred Rouhs: Und im Landtag steht die AfD allein gegen alle.

Björn Höcke: So ist das. Wobei wir jetzt durch die Gestaltungsminorität, wie ich es nenne, auch durchaus jetzt mal Möglichkeiten haben, etwas mehr einzufordern. Wir werden lernen müssen, mit noch mehr Gegenwind umzugehen. Das ist heute schon deutlich geworden. Man ist wirklich kartellartig verpanzert. Man ist nicht bereit, demokratische Wahlergebnisse zu akzeptieren, wenn es wirklich diese Brombeer-Koalition in Thüringen geben sollte.

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. CDU mit zwei roten Parteien und dann trotzdem noch als Minderheitsregierung noch unter der Notwendigkeit von den Altlinken toleriert zu werden, von der ehemaligen SED, von der unbenannten SED. Das ist wirklich der Offenbarungseid der Demokratie und entspricht mitnichten dem Wählerwillen, der ganz klar ist, die Menschen in Thüringen wollen überwiegend eine konservativ-patriotische Politik. Die wollen kein Weiter-So. Und genau das wird Ihnen jetzt von den Kartellparteien eingeschänkt: Ein Weiter-So. Mal schauen, wie lange das gut gehen kann.

Manfred Rouhs: Und Schwarz-Rot war im 19. Jahrhundert die Fahne der Anarchisten. Der Verlauf der heutigen Sitzung hatte durchaus anarchistische Züge.

Björn Höcke: Absolut, aber nicht von uns provoziert.

Manfred Rouhs: Das ist wohl wahr. Herr Höcke, vielen Dank für das Gespräch.

Björn Höcke: Danke, Herr Rouhs.

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