Zuletzt aktualisiert 3. November 2019
In Thüringen hat der Wähler die rot-rot-grüne Regierungskoalition abgestraft und stattdessen AfD, CDU und FDP zur Parlamentsmehrheit verholfen. Da innerhalb dieser bürgerlichen Mehrheit die AfD stärkste Kraft ist, käme ihr nach den üblichen parlamentarisch-demokratischen Spielregeln die Aufgabe der Regierungsbildung zu. Daran aber ist überhaupt nicht zu denken, nachdem sich Union und FDP bundesweit darauf festgelegt haben, unter keinen Umständen mit der Alternative zusammenarbeiten zu wollen.
Mehrheit für AfD, CDU und FDP
Michael Heym, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Erfurter Landtag, stellt diese Abgrenzung in Frage. Er kann sich die Duldung einer von der CDU geführten Minderheitsregierung durch die AfD-Landtagsfraktion vorstellen. Damit wäre Rot-Rot-Grün abgewählt – und das Problem des Koalitionsverbots seiner Partei mit der AfD umgangen.
Führende Vertreter anderer CDU-Landesverbände fordern deshalb den Ausschluss Heyms aus der CDU. „Ich erwarte, dass die CDU Thüringen diese Person aus der Partei ausschließt“, wettert der Bremer CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Röwekamp auf Twitter. „Leute wie Herr Heym haben in der CDU nichts verloren“, sekundiert Marco Wanderwitz, CDU-Staatssekretär im Bundesinnenministerium. Und die schleswig-holsteinische CDU-Bildungsministerin Karin Prien pocht auf die Einhaltung der Parteidisziplin: „Unser Parteitagsbeschluss ist die rote Linie: Mit AfD und Linkspartei gibt es keine Zusammenarbeit.“
Die AfD am Pranger
Reiner Haseloff, CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, radikalisiert die parteiinterne Debatte, indem er die AfD mit dem terroristischen Anschlag von Halle an der Saale in eine Verbindung bringt und daraus die Schlussfolgerung zieht: „Die AfD kann für die CDU kein Partner sein, sondern ist ihr politischer Gegner.“ – Folgerichtig bewegen sich auch Teile der CDU – wie beispielsweise Michael Heym – in zumindest geistiger Nähe zum Rechtsterrorismus, würde man Haselhoffs Prämisse einer wie auch immer gearteten Linie von der AfD zu solchen kriminellen Milieus akzeptieren.
Der bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder will möglichst viele ökologische und rechte Inhalte selbst besetzen, um seine politischen Mitbewerber durch Radikalisierung zu marginalisieren: „Für uns gilt: Keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei und der AfD. Unser Ziel ist es, uns wieder in der Mitte breiter zu machen und die Grünen wieder nach links und die AfD noch weiter nach rechts zu drängen.“
Heym kontert mit Blick auf die Situation in Thüringen trocken: „Man tut der Demokratie keinen Gefallen, wenn man ein Viertel der Wählerschaft verprellt. Rechnerisch reicht es für ein Bündnis aus AfD, CDU und FDP. Ich finde, das sollte man nicht von vornherein ausschließen.“
Nie mehr bürgerliche Mehrheiten?
Alexander Mitsch, Vorsitzender der konservativen Werteunion, stellt sich an Heyms Seite: „Ein Ausschlussverfahren gegen Herrn Heym entbehrt jeder Grundlage, da er richtigerweise eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen hat.“
Die Union steht vor einer Zerreisprobe. Ihre Koalition mit der SPD findet bei Wahlen keine Mehrheit mehr. Sie hat AfD und Linke stark werden lassen – und im Westen die Grünen. Ohne die AfD wird es bundesweit und vielerorts auch auf Landesebene auf Sicht der kommenden Jahre keine bürgerlichen Regierungsbildungen geben. Diese Tatsache mag die Führung der Union eine Zeitlang verdrängen, aber irgendwann wird sie sich der veränderten Realität stellen müssen. Bis dahin regieren Rote, ganz Rote und Grüne – weil sie untereinander keine Berührungsängste haben.
Foto: Michael Heym, Thüringischer Landtag