Zuletzt aktualisiert 16. November 2019
Jan Böhmermann wäre wahrscheinlich selbst gerne Kaiser von Deutschland. Mit Schloss und eigenem Hofstaat – das könnte dem 38-jährigen Opfer der deutschen Bildungskatastrophe aus Bremen so passen. Weil aber ein solches Lebensziel unrealistisch wäre, keilt er aus gegen die Konkurrenz aus dem Hause Hohenzollern.
Bei der Auswahl derer, über deren gekrönte oder ungekrönte Häupter der kleine Jan Dreck ausschüttet, verfährt er immer nach der gleichen Methode. Am Anfang steht die Frage: Wer gilt allgemein als böse? Wen mögen die Leute nicht? An wem kann er sich abarbeiten, um sein eigenes soziales Prestige zu verbessern? – Weil ihn dann alle ganz toll finden, nachdem er dem Bösewicht ordentlich eine verpasst hat … Und was würden dann wohl die Leute gerne Böses über den (ggf. vermeintlichen) Bösewicht erfahren?
Dabei nimmt es der kleine Jan mit der Wahrheit nicht so genau, achtet aber sorgfältig darauf, sich nur an (ggf. vermeintlich) zumindest im deutschen Medienbetrieb Schwächeren zu vergreifen. An Leuten, die sich, wie er annimmt, nicht wehren können. Wie zum Beispiel den Rechtsextremisten. Oder Recep Erdogan. Oder jetzt eben den Hohenzollern.
Die hätten gerne Besitz zurück, der in der sowjetischen Besatzungszone ab 1946 enteignet worden ist. Das 1994 verabschiedete Ausgleichleistungsgesetz sieht eine solche Rückgabe von unter Diktatur und Besatzung enteigneten Gütern grundsätzlich vor, allerdings nur, soweit die Enteigneten nicht „dem nationalsozialistischen System erheblichen Vorschub geleistet“ haben. Hier setzt Böhmermann an und fragt mit revolutionär-demokratischem Habitus: „Wie können wir, die Bürgerinnen und Bürger des demokratischen Deutschlands, den Hohenzollern alles wegnehmen, was sie besitzen, und zwar legal?“
Antwort: Indem wir sie alle als Nazis abstempeln.
Das ist eigentlich auch schon die ganze Geschichte. Der Rest ist selektives Zitieren.
Böhmermann fokussiert die Rolle des NS-freundlichen Kronprinzen Wilhelm, um die Enteignung der Hohenzollern als ausgleichende Gerechtigkeit zu inszenieren. Zurecht wehrt sich der aus vielen Fernsehberichten in Deutschland bekannte australische Historiker Christopher Clark gegen die Verdrehung seiner Expertise zu diesem Thema durch den halbgebildeten Möchtegern-Aufklärer des ZDF. Clark sagt klipp und klar: „Kronprinz Wilhelm hat dem nationalsozialistischen System keinen erheblichen Vorschub geleistet.“ Aber das schert den öffentlich-rechtlichen Hofnarren nicht, der sich immer dann unter der Narrenkappe verkriecht, wenn er wieder einmal der Schiebung überführt worden ist: Er führt dessen Widerstand zum Trotz Clark als Kronzeugen gegen das Haus Hohenzollern ins Feld.
Die Ignoranz unterscheidet den Komiker vom Journalisten.
Jan Böhmermann ist ein Prinz von trauriger Gestalt, dessen Verrenkungen vor der Kamera stets aufs Neue nur eines beweisen, und zwar, dass das Ausscheiden von Harald Schmidt aus dem Dienst beim deutschen Fernsehen eine scheunentorgroße Lücke gerissen hat, die nicht gefüllt werden konnte …
Foto: Wilhelm II. mit seinen sechs Söhnen in Berlin am Neujahrstag 1913