Jakob Augstein und die Verrohung der politischen Debatte

Jakob Augstein und die Verrohung der politischen Debatte

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Zuletzt aktualisiert 4. März 2020

Jakob Augstein, Teilerbe des „Spiegel“-Herausgebers Rudolf Augstein und Verleger der Wochenzeitung „Der Freitag“, teilt bei Twitter aus gegen andersdenkende Publizisten: „Die Wegbereiter der Gewalt haben Namen und Adresse: Sarrazin, Broder, Tichy, und andere, die die Verrohung des Diskurses vorangetrieben haben. Zuerst kommen die Worte, dann die Taten. Das ist bei den Rechtsterroristen so, wie bei den Islamisten.“

Und was ist mit den Linksterroristen und anderen politisch motivierten Gewalttätern? Mag sich Jakob Augstein als deren „Wegbereiter“ bekennen? Welche Spur führt von Sarrazin, Broder und Tichy beispielsweise zum Mörder von Hanau, dessen grausame Tat offenbar Auslöser des Augsteinschen Temperamentausbruchs gewesen ist?

Der Mann beklagt eine Verrohung der politischen Debatte – und betreibt sie doch selbst.

Sarrazin, Broder, Tichy und andere haben mehr oder weniger reichweitenstark im Zusammenhang mit der Zuwanderungspolitik bestimmte Tatsachen ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt, die nicht jeder gerne zur Kenntnis nehmen mag. Wie zum Beispiel:

„Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate.“ Thilo Sarrazin

„Der Unterschied liegt darin, dass im Islam keine Säkularisierung stattgefunden hat. Es hat keine Neuinterpretation gegeben, keine Verweltlichung, keine Aufklärung. Es gab dort keinen Mendelssohn, keinen Luther und auch keine bibelkritische Auslegung, die die Schrift nicht wörtlich nimmt. Da, wo die Schrift wörtlich genommen wird, kommt es ja auch bei Juden und Christen zu Katastrophen.“ Henryk M. Broder zum Unterschied zwischen Islam und Christentum

„Abscheuliche Verbrechen werden von Augstein und Böhmermann instrumentalisiert, die Opfer von Hanau können sich nicht dagegen wehren, wie sie missbraucht werden. Was sie nicht wissen: Die Abscheulichkeit der von ihnen wie Klopapier benutzten Verbrechen fallen auf sie zurück. Sie haben ihre Hände in das Blut der Ermordeten getaucht und tippen, ach was: Die feinen Herren lassen andere für sie Twitter in ihrem Geiste schreiben, im Fall Böhmermann öffentlich-rechtlich mitfinanziert.“ Roland Tichy

Diese Äußerungen haben dreierlei gemeinsam:

Erstens: Sie beschreiben bestimmte Aspekte der politischen Wirklichkeit in Deutschland in einer Art und Weise, die Millionen Menschen als plausibel empfinden.

Zweitens: Sie sind für jeden, der den politischen Status quo verteidigt, vollkommen inakzeptabel.

Drittens: Sie stacheln weder direkt noch indirekt zur Gewalt auf.

Letzteres unterscheidet sie von Augsteins Tweet, der zumindest als indirekter Gewaltaufruf interpretiert werden kann.

Wer – und sei es auch scharfzüngig – die bestehenden politischen Verhältnisse ausleuchtet und dabei weder direkt noch indirekt zur Gewaltanwendung aufruft, kann sinnvollerweise nicht stigmatisiert werden, nur weil das, was er mitzuteilen hat, den Verteidigern des Status quo als unerträglich erscheint.

Und damit sind wir beim Kern der Äußerung Augsteins: Ihm fielen von Jugend an zwei Privilegien zu, die sich viele andere Menschen hart erarbeiten müssen: Wohlstand und öffentliche Aufmerksamkeit. Von beiden Privilegien wird er nach der nächsten politischen Wende Abstriche vorzunehmen haben.

Deshalb schlagen Leute wie er wüst um sich: die einen mit Worten, andere mit Fäusten. Sie ahnen, dass ihre Zeit abläuft. Und dass es ihnen nicht gelingen wird, das unvermeidbare aufzuhalten.

Bild oben: Jakob Augstein auf Twitter am 20.02.2020

 

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