Angst vor dem Dritten Reich, Teil B: ARD beschwört Weimar

Angst vor dem Dritten Reich, Teil B: ARD beschwört Weimar

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Zuletzt aktualisiert 15. März 2020

Der 30. Januar 2033 wird ein spannender Tag werden. Denn ein knappes Jahrhundert nach Hitlers Machtergreifung beschwören Teile der politischen Klasse und des massenmedialen Betriebs eine „Rückkehr der völkischen Ideologie“ und suchen allen Ernstes und ohne tagespolitisches Flunkern nach Parallelen zwischen NSDAP und AfD. So geschehen in einer satirefreien Sendung der ARD aus dem Jahr 2019 (Video oben), die am späten Abend des 9. März 2020 wiederholt wurde.

Verbale Rundumschläge

Nun wäre es leicht, sich mit diesen verbalen Rundumschlägen derer, die Grund haben, die nächste politische Wende zu fürchten, unter psychologisierenden Gesichtspunkten auseinanderzusetzen oder das Ganze schlicht als Diffamierung abzutun. Ich weiß aus zahllosen Gesprächen mit Vertretern des alten Apparates, die ich als Mitglied des Kölner Stadtrates sowie verschiedener Gremien wie beispielsweise der Zweckverbandsversammlung der Sparkasse KölnBonn in den Jahren 1989 bis 2011 persönlich näher kennengelernt habe, dass viele der hier handelnden Personen die NS-Vergleiche bierernst meinen und wirklich annehmen, wir würden sie eines Tages in Lager sperren und eine dem Dritten Reich vergleichbare Diktatur errichten wollen.

Was also unterscheidet die nationalen, freiheitlichen, demokratischen Politikansätze von heute, wie sie auch die AfD vertritt, vom historischen deutschen Nationalsozialismus?

Was war der Nationalsozialismus?

Wesenskern des Nationalsozialismus war die Geringschätzung des Wertes menschlichen Lebens. Dass Millionen Deutsche in den 1930er Jahren diese Geringschätzung teilten, war das Ergebnis des fatalen Zusammenwirkens dreier Faktoren:

Der erste Faktor waren die Hungerwinter und die Millionen gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges. Wer erlebt hatte, wie Babys und alte Menschen starben, weil eine alliierte Seeblockade in diesem Krieg in Deutschland Nahrungsmittelknappheit hervorgerufen hatte, wer mit dem Kameraden neben sich im Schützengraben gerade noch ein Stück Brot geteilt hatte und dann erlebte, dass ihn eine Granate zerriss, der wurde hart gegen sich selbst und gegen andere. Diese Härte ist den Europäern des 21. Jahrhunderts fremd.

Der zweite Faktor war der „Friedensvertrag“ von Versailles, der von Millionen Deutschen zu Recht als Fortsetzung des Weltkriegs mit zivilen, wirtschaftlichen Mitteln aufgefasst wurde. Zwar prangerten auch die demokratischen Weimarer Parteien das Unrecht von Versailles an, aber sie bemühten sich zeitgleich, die darauf gestützten Forderungen der Westalliierten zu erfüllen. Das machte sie unglaubwürdig.

Der dritte Faktor war die Bedrohung Deutschlands durch die Sowjetunion Josef Stalins. Dessen Ziel war es, ganz Europa einem kommunistischen Zwangsregime zu unterwerfen. Die Gefahr war nicht eingebildet, sondern real. Millionen Hungertote in Stalins Reich und das Schreckensregime des Gulag verleiteten viele Deutsche zu der Annahme, es sei richtig, den Teufel Stalin mit dem Beelzebub Hitler auszutreiben.

Warum Hitler nicht zurückkommt

Diese drei Faktoren sind nicht reproduzierbar. Deshalb wird es kein „Drittes Reich, Teil B“ geben, und deshalb strebt auch niemand im patriotischen, freiheitlichen, demokratischen politischen Spektrum eine Neuauflage der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft an.

Wir leben in einer historisch einmaligen, mit nichts bislang dagewesenem vergleichbaren Situation, die von der Explosion des wissenschaftlich-technischen Fortschritts geprägt ist, dessen Motor nicht politische Akteure sind, sondern privatwirtschaftlich organisierte, oft weltweit tätige Unternehmen. Die Macht dieser Unternehmen stellt die Autorität des Staates infrage – nicht nur die des deutschen Staates, sondern aller Staaten weltweit.

Hieraus resultiert für die Politik ein globaler Handlungsbedarf, der uns zwingt, völlig neue Wege zu gehen. Wir müssen in den kommenden Jahrzehnten die Frage beantworten, wer die Welt im 21. Jahrhundert beherrschen soll: Demokratisch organisierte Nationalstaaten oder das Geld des globalen Kapitals. Diese Frontstellung wird althergebrachte Konfliktlinien im politischen Betrieb auflösen – womöglich auch diejenige zwischen „rechts“ und „links“.

Neue Herausforderungen

Diesen Zusammenhang haben viele Akteure im alten politischen und massenmedialen Betrieb noch nicht verstanden. Die Veränderungen unserer Zeit überfordern sie. Sie suchen nach Analogien für die sich abzeichnenden Einschnitte, zu denen die Erneuerung der Nationalstaaten als Gegenbewegung zur Machterweiterung des globalen Kapitals gehört – und glauben, sie im Niedergang der Weimarer Republik finden zu können.

Folgerichtig ist es weder unhöflich noch sachlich falsch, Journalisten und Politiker, die mit Bezug zur AfD NS-Vergleiche ziehen, als Ewiggestrige zu bewerten. Sie flüchten in die vermeintliche Sicherheit eines überkommenen Weltbildes, von dem im 21. Jahrhundert nichts mehr Gültigkeit hat. Sie führen Scheindebatten. Sie sind außerstande, die Probleme unserer Zeit zu lösen.

Sie müssen möglichst schnell abgelöst werden.


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